im folgenden will ich kurz zu schildern versuchen, wie ich vom christen zum buddhisten wurde. es war ein langer, ein schwerer weg – reich an inneren kämpfen. endlich aber habe ich dennoch die wahrheit gefunden.
ich war von kindheit auf in der christlichen gedankenwelt und unter ihrem einfluss aufgewachsen. man lehrte mich, dass gott der allmächtige droben im himmel der schöpfer der welt sei, und jesus christus, sein eingeborener sohn, durch seinen opfertod der erlöser der sündigen menschheit. kurz – der ganze christliche offenbarungsglaube war mir aufs beste eingeprägt worden, und ich hielt dies alles für die wahrheit. als ich dann die schule verliess und mir mein seelsorger bei der konfirmation nach alter sitte in das mir geschenkte neue testament den spruch bleibe fromm und halte dich recht, denn solchen wird es zuletzt wohlergehen
schrieb, da muss ich nach landläufigen begriffen wohl noch ein guter christ gewesen sein. doch nachdem ich die schule verlassen hatte und ins leben hinaustrat, hatten auch mich bald die allgemein herrschenden zweifel an der richtigkeit dieser lehre ergriffen.
ich las viel, und da fielen mir unter anderen auch bücher in die hände, die mit der herrschenden kirchenlehre im widerspruch standen und kritik an ihr übten. durch diese wurde ich veranlasst, mir meinen glauben doch etwas kritischer anzusehen. da kam mir denn doch so manches gar unwahrscheinlich und unnatürlich vor. da fand ich so vieles, was selbst einem kindergemüte unmöglich erscheinen musste. als ich dann auch noch die lehren, die ich so oft predigen hörte, mit der wirklichkeit verglich, als ich mir überhaupt das leben näher ansah und darin so viel leid und elend gewahrte, da kam mein glaube gar sehr ins wanken. ich konnte es mir nicht mehr zusammenreimen, wie ein liebender, gütiger gott solch eine welt ins dasein rufen konnte, und dass dies alles herrlich und wohlgetan sei. auch an die göttlichkeit jesu glaubte ich nicht mehr; ich dachte ihn mir nur als einen menschen, dessen lehre vielleicht ursprünglich anders und besser gewesen war als wie sie uns heute in der bibel geboten wird. die kirchenlehre hielt ich im grossen ganzen nur für leeren, den zwecken der kirche dienenden formelkram. von nun an habe ich dann nie mehr das abendmahl genommen, und auch die kirche habe ich von der zeit an nie wieder besucht. an einem schönen sommermorgen hinauszuwandern in die sonnige natur, erschien mir viel gottgefälliger, als in dumpfer kirchenluft gebete zu verrichten. denn im grunde des herzens glaubte ich doch noch an ein göttliches, an ein höchstes wesen, das sich uns menschen in der schönheit und wunderwelt der natur offenbart. so lebte ich denn ohne eigentliche religion, ohne dass mich die religiösen fragen tiefer berührten, dahin. das leben deuchte mir im grunde ja doch so schön, und die befriedigung unserer wünsche schien mir des lebens zweck und ziel.
unterdessen bekam ich auch wissenschaftliche bücher zu lesen. vor allem interessierte mich die naturwissenschaft. ich wurde mit den entwicklungslehren von darwin, haeckel und anderen bekannt. vor allem studierte ich haeckels vielumstrittenes buch die welträtsel. wie viel neues, unbekanntes lernte ich da nun kennen. ich war einfach geblendet von all diesen errungenschaften und entdeckungen der modernen naturforschung. jetzt wurde mein glaube in seinen fundamenten völlig erschüttert. denn alles, was man mir vorher als das willkürliche werk eines gewöhnlichen gottes hingestellt hatte, lernte ich nun kennen als die wirkung allgültiger, unabänderlicher naturgesetze. alles ist der unerbittlichen kausalität, dem gesetz der ursache und wirkung, unterworfen.
in der tat staunenswert sind die fortschritte, die die moderne naturwissenschaft in der technik erzielt. sie hat tiefblicke in die werkstatt der natur getan, sie in ihrem wirken und schaffen gleichsam belauscht, und ihre geheimsten vorgänge, die uns vordem unlösbare rätsel schienen, erhellt und erklärt. sie erst reisst uns so recht aus den fesseln unseres angestammten aberglaubens, und zeigt uns die naturvorgänge wie sie in wirklichkeit vor sich gehen. wissenschaft, entwicklung, das waren die pole, um die sich nun mein ganzes denken drehte. schliesslich wiegte ich mich in dem wahn, dass ich hier die lösung aller daseinsfragen gefunden hätte. meine weltanschauung war jetzt eine entschieden materialistische geworden. mit der geburt fing für mich das leben an und mit dem tod war nach meiner anschauung alles zu ende. am vernünftigsten schien es mir da, das leben zu geniessen, solange man es geniessen kann. reichtum, macht, liebe schienen mir das erstrebenswerteste, das höchste glück.
mit der zeit aber merkte ich, wie trügerisch diese ansicht war, und wie wenig befriedigung sie mir gewähren konnte. wenn man in leidvollen, ernsten, stillen stunden nur tief genug über das leben nachdenkt und sich ernstlich fragt, was denn eigentlich das glück ist, nach dem das herz sich sehnt, da wird man gar bald gewahr, dass uns die naturwissenschaft auf diese frage keine antwort gibt, die das verlangen unseres herzens stillen könnte. da wird man deutlich erkennen, dass sie uns nichts gibt, als eine erklärung der äusseren naturvorgänge. eine geist und gemüt befriedigende weltanschauung aber, die uns die wirklichkeit mit den letzten fragen des daseins in einklang bringt, bietet sie uns nicht. in dieser hinsicht hat die naturwissenschaft versagt und muss ja versagen; denn wie sehr sie auch die naturvorgänge und naturkräfte erforscht und erhellt, wie sehr sie dabei auch in das grösste und kleinste dringt und den horizont unseres wissens unendlich erweitert, so bleiben dahinter doch immer die dunklen, rätselvollen fragen nach dem sinn und zweck des lebens offen. zuletzt stehen wir doch immer vor jenen unerbittlichen, abgrundtiefen fragen: woher, wohin, wozu. hier hört die exakte wissenschaft auf. hier können wir nicht mehr messen und wägen, da können wir nur noch schlüsse ziehen. und dadurch geraten wir auf den boden der spekulation, auf das gebiet der philosophie.
in klarer erkenntnis dieses suchte ich nun bei der philosophie mein heil. bei ihr hoffte ich antwort zu finden auf jene letzten quälenden fragen. aber jetzt fing die geistige not und qual erst recht an. kaum glaubte ich bei einem philosophen die wahrheit gefunden zu haben, da kam wieder ein anderer, der mich vom gegenteil überzeugte. viel wahres und schönes habe ich da gefunden, aber zugleich taten sich auch immer neue fragen, immer neue zweifel vor mir auf. materialistische, monistische und idealistische ideen beeinflussten mich in wirrem durcheinander, ohne dass ich in einer richtung einen festen halt oder wahre befriedigung gefunden hätte.
bei diesem suchen wurde ich schliesslich auch mit der schopenhauerschen philosophie bekannt und durch dieselbe dann auch mit kants kritik der reinen vernunft. in diesen beiden hat die abendländische philosophie sicherlich ihren höhepunkt und ihren schönsten ausdruck gefunden. wie schuppen fiel es nun von meinen augen. mein ganzes denken erfuhr eine völlige umwandlung. jetzt bekam ich ein ganz anderes bild von der welt. jetzt erst erkannte ich, dass die wahrheit, das wahre glück nicht ausserhalb, sondern in der eigenen brust zu suchen sei, denn alles, alles ruht nur in uns; – das eigene bewusstsein ist träger der welt.
durch schopenhauer wurde ich auch auf die indische gedankenwelt aufmerksam gemacht. bei ihm hörte ich auch zum ersten mal in begeisterten worten von jenem indischen fürstensohn siddhartha gautama, dem späteren buddha, sprechen. mit der indischen philosophie selbst wurde ich zuerst durch die bhagavad gita bekannt. später lernte ich dann auch die veden, die upanishaden und den vedanta kennen. mit staunender bewunderung stand ich vor dieser grandiosen schönheit und tiefe menschlichen denkens.
um diese zeit war es, als in leipzig die erste deutsche zeitschrift über buddhismus der buddhist erschien [2]. im schaufenster einer buchhandlung sah ich das erste heft aufliegen, und kaufte es sofort.
ich hatte vorher schon in theosophischen büchern über den buddhismus gelesen. aber was ich in denselben über buddhismus vernahm, war so ganz anders, als was ich in diesem heft las. dort hörte ich so viel von geheimen wissenschaften, von okkultismus und sonstigen magischen künsten: und auch in betreff des buddhismus wurde in mir dort der glaube geweckt, als sei der buddhismus eine ganz geheimnisvolle okkultische religion. von alledem fand ich in diesem heft nichts. ganz neue klänge waren es, die mir da entgegenklangen. vor allem der anatta-gedanke war mir ganz neu. ich fühlte mich allmählich immer mehr von diesen gedanken angezogen, und liess mir dann auch noch die weiteren hefte kommen. durch die darin enthaltenen artikel und dort verzeichneten bücher lernte ich den buddhismus dann von seiner wahren seite kennen. da fand ich endlich eine lehre, die mir wahre und tiefe befriedigung brachte; eine religion wahrer menschlichkeit, allumfassender barmherzigkeit, frei von allem fanatismus. diese einzigartige lehre hat meine letzten zweifel zerstört, hat mein suchen und meine sehnsucht gestillt. kein blinder glaube, keine den geist in fesseln schlagende dogmen, sondern unbeschränkte freiheit des denkens, wissenschaftlich begründetes wissen ist das wesen des buddhismus, denn der buddha hat selber ausdrücklich betont, dass wir an nichts glauben sollen nur deshalb, weil es gesagt wurde, oder weil es überliefert ist, oder weil es geschrieben steht, oder von einer autorität gelehrt wurde, sondern wir sollen nur das glauben, was durch unsere eigene vernunft, erfahrung und erkenntnis bestätigt wird. der buddha ist kein gott oder gottgesandter, er ist ein mensch, aber ein edler weiser mensch, der der leidenden menschheit das höchste brachte, was ein mensch ihr bringen kann – die wahrheit; die wahrheit vom leiden, die wahrheit von der entstehung des leidens, die wahrheit von der aufhebung des leidens, und als siegespreis seines ernsten ringens die wahrheit vom pfad, der zur aufhebung des leidens führt. wenn wir uns in der uns umgebenden welt nur richtig umschauen, so können wir uns beim anblick von so viel jammer und elend sicherlich nicht mehr zu der ansicht bekennen, dass dies alles das werk eines liebenden, gütigen gottes sei. wir müssen uns vielmehr der meinung des buddhas anschliessen, wenn er sagt: ein unermessliches feuer ist dieser unendliche lauf des werdens, lodernd und brennend, voll von elend, voll leid.
als christen werden wir gezwungen, in der geburt den anfang unseres lebens zu sehen, das dann beim tod eingeht zu ewiger himmelsfreude oder endloser höllenpein. auch dieser denkunmöglichkeit gegenüber müssen wir uns zu folgender ansicht des buddhas bekennen: ohne anfang und ohne ende ist dieses samsara, unerkennbar ist der beginn der in wahn versunkenen wesen, die vom lebenswillen ergriffen immer wieder zu erneuter geburt geführt werden und durch den endlosen lauf der wiedergeburten eilen. und auch in betreff der erlösung sind wir beim buddhismus nicht auf göttliche gnade angewiesen, sondern durch uns selbst, aus eigener kraft können wir zum ziel kommen; und dieses ziel ist nirwana, der grosse frieden, die höchste ruhe.
vergleiche ich nun heute meinen früheren glauben mit meinem jetzigen bekenntnis, so ist der gegensatz in allen punkten der gegensatz von nacht und tag. dort nur dunkle, widerspruchsvolle, unhaltbare glaubenssätze, hier überall lichtvolle klare erkenntnis und zielbewusstes streben. hier haben wir den festen sicheren standpunkt gefunden, von dem aus wir die geistigen strömungen unserer zeit mit ruhe überblicken und beurteilen können, und verstehen lernen, dass unsere so viel gepriesene kultur, so hoch sie auch steht, und so hoch sie auch noch steigen mag, doch nicht imstande ist, uns im innersten herzen zu befriedigen, und ewig eingespannt bleibt in dem rahmen anicca, dukkha, anatta. den wahren frieden bringen kann uns nur die lehre des vollendeten: die im anfang vollkommene, in der mitte vollkommene und am ende vollkommene. sie allein kann uns nach langem wandern und leiden zum ziele, zur tiefen ruhe führen. lang ist vielleicht für uns noch der weg, fern noch das ziel, doch es rinnen kühle quellen am weg, wo der müde wanderer sich erquicken und stärken kann.